Gastbeitrag: Stillleid statt Stillfreud - Zungenband
Gastbeitrag von: StillzeitDoula Caro
„Stillleid statt Stillfreud - Warum niemand auf das Zungenband schaut?!“
Der unterschätzte Einfluss oraler Restriktionen
Du hast dich aufs Stillen gefreut. Du hast gelesen, dich vorbereitet, vielleicht sogar einen Kurs besucht. Und dann ist da dieses Baby – dein Baby – das ständig schreit, sich immer wieder von der Brust wegdrückt, das Trinken tut dir weh, es dauert ewig, und trotzdem hast du das Gefühl, dass dein Baby nicht satt ist. Und während du stillst, flüstert eine Stimme in deinem Kopf: Irgendetwas stimmt hier nicht.
Was sind orale Restriktionen?
Der Begriff „orale Restriktionen“ beschreibt funktionelle Einschränkungen im Bereich der Mundhöhle – Zungenband, Lippenband oder Wangenbändchen. Sie wirken auf das feine Zusammenspiel von Saugen, Schlucken, Atmen, später auch Sprechen und vieles mehr aus.
Am bekanntesten ist das sogenannte Zungenband (Frenulum linguae) – ein Gewebsstrang unter der Zunge, der die Beweglichkeit der Zunge je nach Form, Festigkeit und Ansatz stark beeinträchtigen kann.
Warum das so wichtig ist:
Die Zunge hat beim Stillen eine zentrale Rolle:
Sie sorgt dafür, dass das Baby das Vakuum aufrechterhalten, die Milch gut abtrinken und die perfekte Milchmenge bestimmen kann. Eine eingeschränkte Zungenbeweglichkeit kann unter anderem zu ganz typischen Problemen führen:
Schlechter Tiefensaugschluss – das Baby rutscht immer wieder ab
Kurze Stillmahlzeiten, gefolgt von häufigem Hunger
Luftschlucken → Blähungen, Bauchweh, Unruhe
Starke Schmerzen bei der Mutter (z. B. wunde Brustwarzen)
Milchstau, unzureichende Milchbildung oder frühzeitiges Abstillen
Was viele nicht wissen:
Es gibt verschiedene Formen von Zungenbändern:
Das anteriore Zungenband ist oft gut sichtbar – ein dünner Strang, der sich bei Zungenbewegung spannt oder die Zunge „nach unten zieht“.
Das posteriore Zungenband ist tiefer liegend, kaum sichtbar und wird daher häufig übersehen oder nicht korrekt eingeschätzt – dabei ist es funktionell oft die entscheidende Einschränkung.
Und jetzt wird’s entscheidend:
Manchmal wird direkt nach der Geburt oder in den ersten Tagen das anteriore Band durchtrennt, meist vom Kinderarzt.
Doch wenn das posteriore Band weiterhin besteht, bleibt die Beweglichkeit der Zunge weiter eingeschränkt – trotz Eingriff.
Das ist vergleichbar mit zusammengewachsenen Fingern oder Beinen, die man nur zur Hälfte trennt:
Man kann sie schon irgendwie bewegen
aber sie nach wie vor nicht voll funktionsfähig
Das volle Bewegungsausmaß fehlt, weil tiefere Gewebeschichten noch blockieren.
Was bedeutet das in der Praxis?
Ein kurzer Eingriff reicht nicht automatisch – es braucht:
eine genaue funktionelle Einschätzung der Zungenbewegung (nicht nur den optischen Befund)
ggf. interdisziplinäre Begleitung (Stillberatung, Körpertherapie, Osteopathie)
und nachhaltige Nachsorge nach einer Frenotomie, z. B. durch gezielte Übungen oder Körperarbeit. (Aktives Wundmanagament)
Warum wird das so oft übersehen?
Weil das Wissen über orale Restriktionen noch nicht flächendeckend in der Ausbildung von Hebammen, Kinderärzt:innen oder Stillberater:innen angekommen ist.
Viele Babys bekommen das Zungenband nur kurz „visuell“ inspiziert – aber es braucht eine funktionelle Einschätzung:
Wie bewegt sich die Zunge? Wie ist das Saugverhalten? Gibt es Spannungsmuster im Körper? Wie sieht das Gesamtbild aus?
Eine Stillbeziehung kann massiv belastet werden, wenn hier wichtige Puzzleteile fehlen.
Es ist nicht deine Schuld
Ich möchte, dass du das liest – wirklich liest:
Stillen ist zwar ewas Natürliches – aber es ist auch eine körperliche Zusammenarbeit zwischen zwei Individuen, und manchmal braucht diese Zusammenarbeit Unterstützung.
Mütter werden leider viel zu oft mit dem Gefühl zurückgelassen, sie seien nicht „fähig“, nicht „entspannt genug“, nicht „konsequent genug“. Dabei sind sie oft einfach nur nicht richtig begleitet worden.
Was du tun kannst, wenn du dich wiedererkennst
Wenn du das Gefühl hast, das Stillen ist ein täglicher Kampf – dann darfst du dir Hilfe holen. Und zwar am besten von jemandem, der folgende Dinge mit dir anschaut:
Zungen- und Lippenband (visuell UND funktionell)
Saugverhalten deines Babys
Körperliche Anspannung oder Asymmetrien (z. B. Schiefhals, Blockaden)
Stillpositionen & Brustanatomie
Wie ihr als Team zusammenarbeitet (Bindung, Berührung, Kommunikation)
Ein interdisziplinärer Blick ist hier oft entscheidend – also z. B. in Zusammenarbeit mit Stillberatung, Osteopathie, HNO, Kinderphysiotherapie oder Körpertherapie.
Und dann?
Mit der richtigen Begleitung kann das Stillen leichter werden – und oft wird es doch noch eine schöne, nährende Erfahrung.
Manchmal braucht es nur kleine Impulse, manchmal einen längeren Weg. Aber du musst ihn nicht alleine gehen.
Zum Schluss
Ich wünsche mir, dass Stillprobleme nicht mehr hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden – und dass Mütter sich nicht selbst dafür verantwortlich machen müssen, wenn es nicht „einfach so“ klappt. Ich wünsche mir, dass jede Mama mit einem unguten Gefühl gehört und wahrgenommen wird.
Stillen darf anstrengend sein, ja.
Aber es darf auch besser werden.
Und vor allem: Du darfst gesehen werden.
Wenn du Unterstützung suchst oder einfach ein Gespräch brauchst – du bist herzlich willkommen, dich bei mir zu melden.
Du bist nicht allein.
Liebste Grüße
deine StillzeitDoula Caro
Stillbegleitung (orale Restriktionen) I BabyYoga x BabyMassage I Doula i. A.